Freitag, 08.08.2025

Die Diagnose Feline Infektiöse Peritonitis (FIP) bedeutete für Katzenbesitzer jahrelang das Schlimmste: ein sicheres Todesurteil für ihr geliebtes Tier. Doch während wirksame Medikamente längst existieren, dürfen Tierärzte in Deutschland diese nicht legal anwenden. Ein Paradoxon, das verzweifelte Halter in die Grauzone treibt und Tierärzte vor ethische Dilemmata stellt.

FIP: Eine tückische Krankheit mit fatalen Folgen

FIP entsteht durch eine Mutation des felinen Coronavirus, das bei vielen Katzen vorkommt. „FIP ist eine Feline Infektiöse Peritonitis. Das ist eine Erkrankung, die vor allem bei jungen Rassekatzen aus Mehrkatzenhaushalten auftritt“, erklärt Lukas Frentzel, Assistenzarzt für Kleintiere an der Tierklinik Ismaning. Besonders tückisch: Die Krankheit zeigt sich oft erst spät.

Foto: Vifogra | Friedrich

Die ersten Anzeichen sind unspezifisch und leicht zu übersehen. „Prinzipiell, was Katzen häufig zeigen im beginnenden Krankheitsstadium ist, dass die ein bisschen weniger fressen, sich zurückziehen, weniger Fellpflege betreiben, vielleicht auch nicht mehr so den Artgenossen zugewandt sind“, beschreibt Frentzel die frühen Warnsignale.

Die Krankheit tritt in zwei Hauptformen auf: Bei der feuchten (exsudativen) Form sammelt sich Flüssigkeit im Bauchraum oder Brustraum an. Der Bauch wirkt aufgebläht, die Atmung fällt schwer. Diese Form schreitet meist schnell voran. Die trockene (granulomatöse) Form verläuft schleichender. Hier bilden sich Entzündungsknoten in verschiedenen Organen. Je nach betroffenem Organ zeigen sich unterschiedliche Symptome: Gelbsucht bei Leberbeteiligung, Nierenversagen, Augenentzündungen oder neurologische Ausfälle wie Krampfanfälle und Koordinationsstörungen.

Foto: Vifogra | Kirberg

Weitere typische Symptome sind anhaltendes Fieber, das auf keine Behandlung anspricht, drastischer Gewichtsverlust trotz aufgeblähtem Bauch, Blutarmut und Schwäche. Junge Katzen unter zwei Jahren sind besonders gefährdet, ebenso Tiere mit geschwächtem Immunsystem. In Mehrkatzenhaushalten steigt das Risiko durch den erhöhten Infektionsdruck. „Man hat festgestellt, dass es in Mehrkatzenhaushalten auch einen erhöhten Infektionsdruck gibt, wo vielleicht mehrere Katzentoiletten zusammen verwendet werden, dass es dort zu einer höheren Ansteckungsrate kommt“, ergänzt Frentzel. Ohne Behandlung verläuft FIP fast immer tödlich – meist innerhalb weniger Wochen nach Ausbruch der deutlichen Symptome.

Das Medikament existiert – die Zulassung nicht

Der bittere Widerspruch: Es gibt durchaus wirksame Medikamente gegen FIP. Studien aus dem In- und Ausland belegen die Wirksamkeit bestimmter Präparate. „Bis vor ein paar Jahren war das für uns noch so, dass eine FIP-Erkrankung eigentlich ein Todesurteil für die Patienten war“, berichtet Frentzel. „Nun ist es so, dass wir inzwischen wissen, dass es Präparate gibt, die sehr erfolgsversprechende Studien hervorgebracht haben.“

Foto: Vifogra | Kirberg

Das Problem: Diese Medikamente sind in Deutschland für die Tiermedizin nicht zugelassen. Tierärzte dürfen sie offiziell weder verschreiben noch anwenden. Die rechtliche Situation bindet ihnen die Hände – während ihre Patienten sterben. Ein ethisches Dilemma, das viele Veterinäre belastet.

Die Trump-Verbindung: Ein Medikament, zwei Standards

Besonders brisant wird die Situation durch eine kuriose Verbindung zur Corona-Pandemie. Das Medikament Remdesivir, das bei FIP-Katzen Leben retten könnte, erhielt während der Pandemie eine Notfallzulassung für Menschen. „Uns ist es auch zu Ohren gekommen, dass Donald Trump sich das hat injizieren lassen“, berichtet Julia Fahrmeier, 1. Vorsitzende des Vereins #GemeinsamGegenFIP.

Während das Medikament für Menschen schnell verfügbar gemacht wurde, bleibt die veterinärmedizinische Variante in Deutschland weiterhin verboten. Ein Umstand, der bei betroffenen Katzenhaltern für Unverständnis und Wut sorgt. Ihre Tiere müssen sterben, obwohl die rettende Therapie längst bekannt ist.

Foto: Vifogra | Friedrich

Selbsthilfe in der Grauzone

Aus der Not heraus haben sich betroffene Katzenhalter organisiert. Der Verein #GemeinsamGegenFIP unterstützt Besitzer nicht nur emotional, sondern auch praktisch. „Wir verfolgen hauptsächlich erst mal die Unterstützung der Besitzer, auch auf emotionaler Ebene“, erklärt Fahrmeier. „Eine FIP-Diagnose ist sehr belastend.“

Das Netzwerk bietet eine 24/7-Betreuung durch geschulte Administratoren. Gerade in der kritischen ersten Behandlungswoche ist diese Unterstützung oft lebensrettend. Die ehrenamtlichen Helfer beurteilen Symptome, geben Hinweise zur Pflege und erkennen, wann sofortige tierärztliche Hilfe nötig ist. Zusätzlich wurde eine spezielle Tierarzt-Hotline eingerichtet, um Veterinäre bei der Betreuung von FIP-Fällen zu unterstützen.

Foto: Vifogra | Kirberg

Ein Hoffnungsschimmer gegen FIP aus Frankreich

Seit Oktober 2023 gibt es einen kleinen Lichtblick: Eine Apotheke im Raum Paris stellt auf Rezept eine spezielle Paste her, die das wirksame Medikament enthält. „Wir können eine gewisse Rezeptur in einer Apotheke aktuell anfertigen lassen“, bestätigt Frentzel. Doch auch dieser Weg bleibt kompliziert und rechtlich umstritten.

Die Abläufe sind noch unklar, die Kosten hoch und die Lieferzeiten oft zu lang für schwer erkrankte Tiere. Viele Katzenhalter greifen deshalb weiterhin auf inoffizielle Quellen zurück – ein riskantes Unterfangen, bei dem die Qualität der Medikamente nicht garantiert ist.

Foto: Vifogra | Kirberg

Beeindruckende Erfolgsquoten sprechen für sich

Die Zahlen belegen eindrucksvoll, was möglich wäre: Die Rückfallquote nach erfolgreicher FIP-Therapie liegt 2024 bei nur 2,51 Prozent. Fast 98 Prozent der behandelten Katzen überleben also dauerhaft – wenn sie rechtzeitig Zugang zur Therapie erhalten. Ohne Behandlung sterben nahezu alle erkrankten Tiere.

Diese Erfolgsquote macht die aktuelle Rechtslage umso tragischer. Jede Verzögerung, jede bürokratische Hürde kostet Katzenleben. Dabei warnen Experten: Eine überstandene FIP schützt nicht vor einer erneuten Erkrankung. Das Coronavirus verbleibt im Körper und kann erneut mutieren.

Foto: Vifogra | Kirberg

Der Kampf um Legalisierung für Medikamente gegen FIP geht weiter

Betroffene, Tierschützer und Tierärzte fordern gemeinsam eine schnelle Zulassung der lebensrettenden Medikamente. „Wir brauchen klare Regelungen, damit Tierärzte nicht mit einem Bein im Gefängnis stehen, wenn sie Katzen retten wollen“, fordert Fahrmeier.

Bis es soweit ist, bleibt vielen Katzenbesitzern nur der Gang in die rechtliche Grauzone. Ein Risiko, das sie für ihre geliebten Vierbeiner eingehen – denn am Ende zählt für sie nur eines: das Leben ihrer Katze zu retten.

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Felix Kirberg

Werkstudent in der Redaktion der VifograVision GmbH