ERLANGEN â Durch den Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 nach Christus ging eine einzigartige Sammlung antiker Papyrusrollen verloren. Jahrhunderte spĂ€ter entdeckt, blieben die stark verkohlten und miteinander verklebten Schriftrollen aus Herculaneum bis heute weitgehend unlesbar. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Friedrich-Alexander-UniversitĂ€t Erlangen-NĂŒrnberg (FAU) will das jetzt Ă€ndern. Der EuropĂ€ische Forschungsrat (ERC) stellt fĂŒr das Projekt UnLost in den nĂ€chsten sechs Jahren rund 11,5 Millionen Euro bereit.
Kentucky | S Bailey EduceLab
Antike Schriften virtuell entrollen
Die Papyrusrollen aus der Villa dei Papiri wurden im 18. Jahrhundert wiederentdeckt. Ihre Schichten sind fest miteinander verbunden, was die Entzifferung erschwert. Bisher gelang es nur bei etwa der HÀlfte der rund 1.800 Rollen und Fragmente, Teile des Textes zu rekonstruieren. Das Team um Dr. Vincent Christlein (FAU), Dr. Federica Nicolardi (Italien) und Prof. Dr. W. Brent Seales (USA) setzt auf Micro-CT-Scans, um die Papyrusrollen virtuell zu entrollen. So entstehen hochaufgelöste 3D-Bilder, die per Software in zweidimensionale Ansichten umgerechnet werden.
KĂŒnstliche Intelligenz macht Unsichtbares sichtbar
Ein zentrales Ziel des Projekts ist es, KI-Algorithmen zu entwickeln, die Schrift von Hintergrund unterscheiden â auch dort, wo das menschliche Auge versagt. Die Micro-CT-Scans liefern kaum Kontraste zwischen Zeichen und dunklem Papyrus. Maschinenlern-Algorithmen trainieren anhand bekannter Schrift- und Leerstellen, um Buchstaben zuverlĂ€ssig zu erkennen. ZusĂ€tzlich testet das Team photoakustische Verfahren mit Laserimpulsen und Ultraschall sowie 3D-Mikroskopaufnahmen, um fehlerhafte Entrollungen zu erkennen und Papyrus-Fragmente korrekt zuzuordnen.
Modell fĂŒr die Restaurierung antiker Schriften
Die Nationalbibliothek in Neapel, die fast alle Herculaneum-Papyri bewahrt, ist zentraler Partner des Projekts. Ziel ist es, die einzige vollstĂ€ndig erhaltene Bibliothek der römischen Antike mit ihren griechischen und lateinischen Texten digital wiederauferstehen zu lassen. Die Forschenden erwarten neue Einblicke in einen Schatz von mindestens 4,5 Millionen Wörtern â ein Kulturerbe von einzigartigem Wert. Die entwickelten Methoden sollen weltweit als Modell fĂŒr die Restaurierung weiterer antiker Funde dienen.
