FRANKFURT AM MAIN – Hans-Jörg Gittler, Vorstandsvorsitzender der BAHN-BKK, geht am Donnerstag (17.07.2025) scharf mit der Politik ins Gericht. Der Krankenkassen-Chef wirft der Regierung vor, das System der gesetzliche Krankenversicherung und Pflegeversicherung bewusst kaputtgewirtschaftet zu haben. „Unter dem Strich hat man in den letzten Jahren durch eine gezielte staatliche Strategie die heutige Situation der Kassen herbeigeführt. Man könnte auch sagen: das System an die Wand gefahren“, so Gittler in seinem Rundumschlag.
Gittler kritisiert Zweckentfremdung der Beiträge
Das Hauptproblem sieht Gittler in der Zweckentfremdung von Beitragsgeldern. Versicherungsfremde Leistungen wie die Krankenversorgung von Bürgergeldempfängern belasten die Kassen massiv. Nach einem IGES-Gutachten erhalten die Krankenkassen nur 39 Prozent der Kosten aus Steuermitteln erstattet – fast zehn Milliarden Euro pro Jahr zahlen Versicherte und Arbeitgeber über ihre Beiträge drauf.
Kassenfusionen laut Gittler nur Scheindebatte
Statt echter Strukturreformen diskutiert die Politik über eine Reduzierung der Kassenzahl. Der Kassen-Chef nennt das eine „Scheindebatte“. Gittler: „Wer aber meint, das Sozialsystem über die Verwaltungskosten zu sanieren, hat das System nicht verstanden.“ Der Verwaltungskostenanteil der BAHN-BKK beispielsweise habe im Jahr 2024 bei nur 2,9 Prozent der Gesamtausgaben von über drei Milliarden Euro gelegen.
Konkrete Forderungen an die Politik
Die BAHN-BKK formuliert in einem Rundschreiben eine Liste von Forderungen zur politischen Lösung des Problems, darunter den vollständigen Finanzausgleich für versicherungsfremde Leistungen, eine Senkung der Umsatzsteuer auf Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent und die Rückzahlung der Corona-Mittel an die Pflegeversicherung. „Die Politik sollte endlich aufhören, sich an Versichertengeldern zu bedienen und stattdessen wirksame Maßnahmen ergreifen, um den Kostendruck zu senken“, so der BAHN-BKK-Chef.
Vertrauen in Solidarsystem in Gefahr
Ohne beherzte Eingriffe sei laut der Mitteilung der Kasse bald der Punkt erreicht, „an dem die gesellschaftliche Akzeptanz der sozialen Sicherungssysteme insgesamt gefährdet“ sei. Eine Kassenfusion vergleicht Gittler mit „der Einnahme eines Globulis gegen einen ansonsten unbehandelten offenen Beinbruch“.