Die Diagnose Feline Infektiöse Peritonitis (FIP) bedeutete fĂŒr Katzenbesitzer jahrelang das Schlimmste: ein sicheres Todesurteil fĂŒr ihr geliebtes Tier. Doch wĂ€hrend wirksame Medikamente lĂ€ngst existieren, dĂŒrfen TierĂ€rzte in Deutschland diese nicht legal anwenden. Ein Paradoxon, das verzweifelte Halter in die Grauzone treibt und TierĂ€rzte vor ethische Dilemmata stellt.
FIP: Eine tĂŒckische Krankheit mit fatalen Folgen
FIP entsteht durch eine Mutation des felinen Coronavirus, das bei vielen Katzen vorkommt. âFIP ist eine Feline Infektiöse Peritonitis. Das ist eine Erkrankung, die vor allem bei jungen Rassekatzen aus Mehrkatzenhaushalten auftritt“, erklĂ€rt Lukas Frentzel, Assistenzarzt fĂŒr Kleintiere an der Tierklinik Ismaning. Besonders tĂŒckisch: Die Krankheit zeigt sich oft erst spĂ€t.

Die ersten Anzeichen sind unspezifisch und leicht zu ĂŒbersehen. âPrinzipiell, was Katzen hĂ€ufig zeigen im beginnenden Krankheitsstadium ist, dass die ein bisschen weniger fressen, sich zurĂŒckziehen, weniger Fellpflege betreiben, vielleicht auch nicht mehr so den Artgenossen zugewandt sind“, beschreibt Frentzel die frĂŒhen Warnsignale.
Die Krankheit tritt in zwei Hauptformen auf: Bei der feuchten (exsudativen) Form sammelt sich FlĂŒssigkeit im Bauchraum oder Brustraum an. Der Bauch wirkt aufgeblĂ€ht, die Atmung fĂ€llt schwer. Diese Form schreitet meist schnell voran. Die trockene (granulomatöse) Form verlĂ€uft schleichender. Hier bilden sich EntzĂŒndungsknoten in verschiedenen Organen. Je nach betroffenem Organ zeigen sich unterschiedliche Symptome: Gelbsucht bei Leberbeteiligung, Nierenversagen, AugenentzĂŒndungen oder neurologische AusfĂ€lle wie KrampfanfĂ€lle und Koordinationsstörungen.

Weitere typische Symptome sind anhaltendes Fieber, das auf keine Behandlung anspricht, drastischer Gewichtsverlust trotz aufgeblĂ€htem Bauch, Blutarmut und SchwĂ€che. Junge Katzen unter zwei Jahren sind besonders gefĂ€hrdet, ebenso Tiere mit geschwĂ€chtem Immunsystem. In Mehrkatzenhaushalten steigt das Risiko durch den erhöhten Infektionsdruck. âMan hat festgestellt, dass es in Mehrkatzenhaushalten auch einen erhöhten Infektionsdruck gibt, wo vielleicht mehrere Katzentoiletten zusammen verwendet werden, dass es dort zu einer höheren Ansteckungsrate kommt“, ergĂ€nzt Frentzel. Ohne Behandlung verlĂ€uft FIP fast immer tödlich â meist innerhalb weniger Wochen nach Ausbruch der deutlichen Symptome.
Das Medikament existiert â die Zulassung nicht
Der bittere Widerspruch: Es gibt durchaus wirksame Medikamente gegen FIP. Studien aus dem In- und Ausland belegen die Wirksamkeit bestimmter PrĂ€parate. âBis vor ein paar Jahren war das fĂŒr uns noch so, dass eine FIP-Erkrankung eigentlich ein Todesurteil fĂŒr die Patienten war“, berichtet Frentzel. âNun ist es so, dass wir inzwischen wissen, dass es PrĂ€parate gibt, die sehr erfolgsversprechende Studien hervorgebracht haben.“

Das Problem: Diese Medikamente sind in Deutschland fĂŒr die Tiermedizin nicht zugelassen. TierĂ€rzte dĂŒrfen sie offiziell weder verschreiben noch anwenden. Die rechtliche Situation bindet ihnen die HĂ€nde â wĂ€hrend ihre Patienten sterben. Ein ethisches Dilemma, das viele VeterinĂ€re belastet.
Die Trump-Verbindung: Ein Medikament, zwei Standards
Besonders brisant wird die Situation durch eine kuriose Verbindung zur Corona-Pandemie. Das Medikament Remdesivir, das bei FIP-Katzen Leben retten könnte, erhielt wĂ€hrend der Pandemie eine Notfallzulassung fĂŒr Menschen. âUns ist es auch zu Ohren gekommen, dass Donald Trump sich das hat injizieren lassen“, berichtet Julia Fahrmeier, 1. Vorsitzende des Vereins #GemeinsamGegenFIP.
WĂ€hrend das Medikament fĂŒr Menschen schnell verfĂŒgbar gemacht wurde, bleibt die veterinĂ€rmedizinische Variante in Deutschland weiterhin verboten. Ein Umstand, der bei betroffenen Katzenhaltern fĂŒr UnverstĂ€ndnis und Wut sorgt. Ihre Tiere mĂŒssen sterben, obwohl die rettende Therapie lĂ€ngst bekannt ist.

Selbsthilfe in der Grauzone
Aus der Not heraus haben sich betroffene Katzenhalter organisiert. Der Verein #GemeinsamGegenFIP unterstĂŒtzt Besitzer nicht nur emotional, sondern auch praktisch. âWir verfolgen hauptsĂ€chlich erst mal die UnterstĂŒtzung der Besitzer, auch auf emotionaler Ebene“, erklĂ€rt Fahrmeier. âEine FIP-Diagnose ist sehr belastend.“
Das Netzwerk bietet eine 24/7-Betreuung durch geschulte Administratoren. Gerade in der kritischen ersten Behandlungswoche ist diese UnterstĂŒtzung oft lebensrettend. Die ehrenamtlichen Helfer beurteilen Symptome, geben Hinweise zur Pflege und erkennen, wann sofortige tierĂ€rztliche Hilfe nötig ist. ZusĂ€tzlich wurde eine spezielle Tierarzt-Hotline eingerichtet, um VeterinĂ€re bei der Betreuung von FIP-FĂ€llen zu unterstĂŒtzen.

Ein Hoffnungsschimmer gegen FIP aus Frankreich
Seit Oktober 2023 gibt es einen kleinen Lichtblick: Eine Apotheke im Raum Paris stellt auf Rezept eine spezielle Paste her, die das wirksame Medikament enthĂ€lt. âWir können eine gewisse Rezeptur in einer Apotheke aktuell anfertigen lassen“, bestĂ€tigt Frentzel. Doch auch dieser Weg bleibt kompliziert und rechtlich umstritten.
Die AblĂ€ufe sind noch unklar, die Kosten hoch und die Lieferzeiten oft zu lang fĂŒr schwer erkrankte Tiere. Viele Katzenhalter greifen deshalb weiterhin auf inoffizielle Quellen zurĂŒck â ein riskantes Unterfangen, bei dem die QualitĂ€t der Medikamente nicht garantiert ist.

Beeindruckende Erfolgsquoten sprechen fĂŒr sich
Die Zahlen belegen eindrucksvoll, was möglich wĂ€re: Die RĂŒckfallquote nach erfolgreicher FIP-Therapie liegt 2024 bei nur 2,51 Prozent. Fast 98 Prozent der behandelten Katzen ĂŒberleben also dauerhaft â wenn sie rechtzeitig Zugang zur Therapie erhalten. Ohne Behandlung sterben nahezu alle erkrankten Tiere.
Diese Erfolgsquote macht die aktuelle Rechtslage umso tragischer. Jede Verzögerung, jede bĂŒrokratische HĂŒrde kostet Katzenleben. Dabei warnen Experten: Eine ĂŒberstandene FIP schĂŒtzt nicht vor einer erneuten Erkrankung. Das Coronavirus verbleibt im Körper und kann erneut mutieren.

Der Kampf um Legalisierung fĂŒr Medikamente gegen FIP geht weiter
Betroffene, TierschĂŒtzer und TierĂ€rzte fordern gemeinsam eine schnelle Zulassung der lebensrettenden Medikamente. âWir brauchen klare Regelungen, damit TierĂ€rzte nicht mit einem Bein im GefĂ€ngnis stehen, wenn sie Katzen retten wollen“, fordert Fahrmeier.
Bis es soweit ist, bleibt vielen Katzenbesitzern nur der Gang in die rechtliche Grauzone. Ein Risiko, das sie fĂŒr ihre geliebten Vierbeiner eingehen â denn am Ende zĂ€hlt fĂŒr sie nur eines: das Leben ihrer Katze zu retten.